„Diagnose“ Bore-out – Die Wahrheit und warum das nichts mit Faulheit zu tun hat

Boreout im Job

Eigentlich tue ich mich schwer damit, dieses Phänomen eine „Diagnose“ zu nennen. Es ist in wissenschaftlichem Sinne nämlich keine.

Dennoch ist es so, dass knappe 20 Prozent der Berufstätigen in Deutschland diesem Leidensdruck und dessen Auswirkungen ausgesetzt sind.

Burnout kennt mittlerweile so ziemlich jeder – es ist fast ein Modebegriff geworden, der medizinisch als Erschöpfungssyndrom bezeichnet wird. Aber Boreout? Gelangweilt? Was ist daran so schlimm, magst Du vielleicht jetzt denken?

Was heißt das eigentlich?

Dein Wecker brüllt Dich am Morgen an: Aufstehen! Doch Du drehst Dich noch 5 mal um. Nach 45 Minuten schiebt Dich Dein Pflichtgefühl aus den Federn. Auch wenn Du Dich wie gerädert fühlst, es muss ja sein. Schon auf dem Weg in die Arbeit denkst Du: am liebsten umdrehen. Du könntest so viele sinnvolle Dinge erledigen, aber Du musst in den Job.

Du sitzt in der Arbeit, mit großer Wahrscheinlichkeit im Büro an einem Schreibtisch. Dein Arbeitspensum ist sehr sehr… sehr überschaubar. Und obendrein routiniert und ohne jegliche spannende Herausforderung.

Eigentlich hast Du einige Ideen, wie Du Deine Kompetenzen und Potentiale besser nutzen könntest. Deine eng formulierte Jobdescription enthält diese Tätigkeiten jedoch nicht.

Du sprichst sogar mit Deinem Vorgesetzten und bittest ihn um verantwortungsvollere Aufgaben. Er vertröstet Dich und verspricht Dir, Dich in Deinem Engagement zu unterstützen. Du wartest.. Es passiert nichts. Du sprichst ihn erneut an – er hat gerade keine Zeit und vertagt Dich auf nächste Woche. Und dann auf die nächste Woche und dann auf den nächsten Monat.

Du regelst Deine routinierten Aufgaben immer langsamer, irgendwie muss der Tag, der sich wie Kaugummi anfühlt, doch zu füllen sein. Hier noch ne email an Deine beste Freundin, da nochmal den nächsten Wochenend-Trip buchen im Internet. Ach ja, bei Ebay kannst Du auch noch mal stöbern.

Mist, erst 14 Uhr. Auf Deinem Schreibtisch liegen augenscheinlich Berge von Arbeit – pro forma, denn Du bist für heut bereits fertig mit Deinen Aufgaben für die Firma. Nochmal einen Gang zu einem Kollegen. Sieht dann wenigstens wichtig aus, zumindest nach außen.

Trotzdem ist noch so viel Zeit bis zu Deinem erlaubten Feierabend, schliesslich müssen Deine Stunden am Monatsende stimmen.

Du fühlst Dich müde und ausgelaugt, hast keine richtige Idee, wie Du Deine Situation ändern kannst. Ach egal. Endlich 18 Uhr. Feierabend. Der Schreibtisch sieht noch genauso aus wie heute morgen, und wie gestern und wie vorgestern, als wäre nichts passiert.

Du überlegst, was Du mit Deinem restlichen Tag noch anstellen könntest.

Freunde treffen, noch ne Runde joggen gehen oder doch ins Yoga? Irgendwas spannendes muss ja heute noch passieren. Du bist hin und her gerissen, weil Du eigentlich viel zu erschöpft bist und Dich am liebsten nur noch verkriechen möchtest.

Nach außen gibst Du die toughe Frau, die alles im Griff hat und der es gut geht. Schließlich hast Du gelernt: Wenn Du einen Job und Dein regelmäßiges Gehalt hast, „hat es Dir doch verdammt nochmal gut zu gehen. Andere Menschen haben gar keinen oder einen viel schlechter bezahlten Job.“

Doch in Dir drinnen siehts eigentlich ganz schön traurig aus. Sinnvolle Arbeit? Fehlanzeige. Selbstvertrauen? Schrumpft jeden Tag ein Stückchen mehr. Du willst ja, aber man lässt Dich nicht. Du hast immer öfter Magenschmerzen und der Rücken tut auch weh.

Findest Du Dich wieder? Ich weiß, Du fühlst Dich gerade ertappt, liest diesen Text möglicherweise sogar im Büro, vielleicht wirst Du sogar rot im Gesicht. „Ich bin doch nicht faul!“ denkst Du Dir gerade.

Du hast Recht. Bist Du nicht. Du bist „nur“ unterfordert, fehl am Platze und mit Deinen Talenten allein gelassen. Wenn Du jetzt in diesem Moment im Büro sitzt und Zeit hast, diesen Artikel zu lesen, hast Du vermutlich diese ominöse „Langeweile“.

Was ist dieses merkwürdige Langeweile-Syndrom namens „Boreout“ eigentlich?

Im Gegensatz zu einem Burnout – aufgrund von dauernder Überbelastung und Überengagement – ist ein Boreout ein Resultat von lang anhaltender Unterforderung und der stete Versuch, dies zu vertuschen und vor anderen zu verstecken. Das wiederum stellt ein großen Stressfaktor dar.

Es schickt sich schließlich nicht, gegenüber den wegen Überbelastung zusammen brechenden Kollegen zuzugeben, dass man Langeweile hat. Ausgebrannt zu sein ist gesellschaftlich anerkannt, aber doch nicht „ausgelangweilt“.. Klingt ja auch nach Faulheit oder nach Luxusproblem. (Ich spreche nicht von kurzen Zeiträumen, in denen Du mal weniger zu tun hast.)

Ich kann Dich in erster Hinsicht beruhigen: Du bist damit nicht allein.

Laut einer Studie der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin mangelt es fast einem fünftel der berufstätigen deutschen Bevölkerung an anspruchsvollen Aufgaben, an Verantwortung und an Abwechslung im Job. Und meist ist dieses fünftel in Dienstleistungsunternehmen an Büroarbeitsplätzen und in Verwaltungsjobs tätig, wobei Frauen häufiger betroffen sind.

Wenn Du unterfordert bist, also mehr leisten könntest als man Dich läßt, wirst Du Dich zwangsläufig langweilen und lustlos werden.Du weißt nicht, was Du tun sollst und Du bist in der Monotonie festgehalten. Wenn Du Dich stetig langweilst in Deinem Job, verlierst irgendwann das Interesse und die Identifikation mit der Arbeit und dem Unternehmen.

Die Folgen sind nicht nur für Dich persönlich verheerend, sondern letztlich auch für das Unternehmen, denn ineffiziente Mitarbeiter sind ein betriebswirtschaftlicher Schaden.

Doch Du gibst ungern zu, dass Du mit Deinen Aufgaben nicht ausgelastet bist.

Ich habe seinerzeit, als ich noch angestellt war, das Gespräch zu meinen Vorgesetzten gesucht. Ich sagte ihm, dass ich nicht ausgelastet bin und gern ein eigenes Projekt zu meinen Aufgaben dazu hätte. „Das kannst Du doch Deinem Vorgesetzten nicht sagen, dass Du nicht ausgelastet bist.“ bekam ich zur Antwort. (Kleine wahre Anekdote aus alten Zeiten.)

Die „süße Mäh des Nichtstun“ (Homer Simpson lässt grüßen) ist in Wahrheit der blanke Horror. Zeit absitzen, auf Feierabend, auf‘s Wochenende oder gar auf die Rente warten. Es beginnt ja schon am Morgen, wenn Du Dir überlegst, wie Du den Tag in der Arbeit überstehen sollst.

Und woran liegt das überhaupt?

Vor allem in großen (deutschen) Unternehmen gibt es strenge Regeln und klar definierte Vorgaben in den Jobdescriptions. Im internationalen Vergleich haben Mitarbeiter wenig Handlungsspielraum, was die Monotonie stark begünstigt.

Es herrscht ausgeprägte Präsenzpflicht an vielen deutschen Arbeitsplätzen und eine Stechuhren-Philosophie, die Leistung an der Anwesenheitszeit misst, nicht aber an der Produktivität und an den Ergebnissen.

Die Angst vor der Autonomie der Mitarbeiter scheint groß zu sein, das Umdenken in Bezug auf Kontrolle durch Vertrauen zu tauschen anscheinend sehr schwierig. Dabei fördert autonomes Arbeiten die Effizienz und die Kreativität.

Die Anerkennung für den Mitarbeiter, der als letztes am Abend das Büro verläßt, ist am größten. Ob dieser jedoch 2 Stunden privates erledigt hat, ist im Land der Leistungsgesellschaft zweitrangig, WENN es keiner mitbekommt. (Bürojobs bieten besten Nährboden für das Vortäuschen von Arbeitsbelastung.)

Wenn Du also schon keine Anerkennung bekommst, weil Du keine verantwortungsvolle Aufgabe hast, dann doch wenigstens für Dein Engagement, die letzte zu sein.

Letztlich liegt es auch an Dir selbst und an Deiner Einstellung. Denn viele sind mit Glaubenssätzen groß geworden, dass Arbeit nicht Spaß und Sinn bringen muss, sondern ausschließlich Geld und Lebensunterhalt. Besser man hat irgendeine warme Bude, die einen ernährt als gar keinen Job. Also Augen zu und durch!

Die Frage „Was soll ich tun wollen?“ erklärt am ehesten, wie viele Menschen auch heute noch eine Ausbildung machen, die sie eigentlich nicht machen wollen, sich aber gedrängt fühlen, um später aufgrund ihrer Qualifikationen in einem Job zu landen, den sie ebenfalls eigentlich nicht machen wollten, weil dieser nicht ihren Talenten und Interessen entspricht.

Die Angst vor Erwerbslosigkeit drängt Menschen oft in die falschen Berufe und ein immobiler Arbeitsmarkt begünstigt dies auch noch.

Dass Frauen häufiger betroffen sind, liegt wohl daran, dass wir eher defensiv reagieren als aktiv zu agieren.

Mitarbeiter werden zunehmend als Objekt betrachtet. Fein verästelte und kaskadierte Hierarchiestrukturen in Unternehmen sind die Killer der Innovation und Kreativität der Mitarbeiter.

Was passiert als Folge eines Boreouts?

Sich nicht langweilen zu dürfen und Aktivität vortäuschen zu müssen, macht – paradoxerweise – Stress. Letztlich macht genau dieser „Kunststress“ mürbe, antriebslos und am Ende krank.

Wenn Du gern mehr leisten wollen würdest und nicht darfst, hast Du ein Problem: Du gehst in Deiner Arbeit nicht mehr auf, sie gibt Dir keinen tieferen Sinn, die abzusitzende Zeit zieht sich wie Kaugummi und am schlimmsten daran ist: Deine Kompetenzen verkümmern allmählich und Dein Vertrauen in Dich selbst und in Deine Fähigkeiten geht langsam verloren. Wie bei einem jungen Pflänzchen, welches nicht gegossen wird.

Die Folgen aus medizinischer Sicht unterscheiden sich gar nicht so stark von denen eines Burnout. Chronische Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen sind nur einige der gesundheitlichen Beschwerden.

Leider ist dies ein schleichender Prozess, den viele Betroffene erst realisieren, wenn es fast zu spät ist. Müdigkeit und Antriebslosigkeit sind ständige Begleiter. Jeder Morgen wird zu einem Kampf, sich überhaupt aus dem Bett zu schälen. Warum sollst Du auch aufstehen? Du fühlst sich ausgelaugt und ähnlich wie beim Burnout ausgebrannt, weil Du in Deiner Arbeit keinen wertvollen Sinn findest und natürlich auch kein tieferer Sinn im ständigen Verbergen von Untätigkeit steckt.

Aber warum tun Menschen das? Sie versuchen ein Bild von sich nach außen aufrecht zu erhalten, welches lange vor dem langsamen Einsetzen des Langeweile-Syndroms von ihnen bestand: produktiv, aktiv, interessiert.. Dieses Vortäuschen aus Scham und Angst, den Job zu verlieren, macht Stress. Das Träumen von einem anderen (besseren) Leben, jedoch ohne wirklich in die Hufe zu kommen, macht Stress. Das schlechte Gewissen, den Hintern wieder nicht hoch bekommen zu haben, macht Stress.

Folglich sinkt das Selbstwertgefühl. Das Vertrauen in die eigene Person und die eigenen Fähigkeiten geht verloren. Man verliert sich selbst und empfindet sich selbst als wertlos, weil man das Gefühl hat, keinen sinnvollen Beitrag zu leisten.

Wer nicht rechtzeitig die Reißleine zieht, resigniert und stirbt innerlich. Die innere Kündigung ist zu diesem Zeitpunkt längst vollzogen. Eine waschechte Depression ist fast schon vorprogrammiert.

Doch so weit muss es nicht kommen und was Du tun kannst

Wenn Du selbst erkannt hast, dass all diese Kriterien auf Dich zutreffen, fange an, Deine Leerlaufzeiten im Job effektiv für Dich zu nutzen. Möglicherweise führst Du eine Woche lang ein Bürotagebuch und notierst alle Zeitumfänge, die Du nicht produktiv nutzen konntest. Dann kannst Du Deine Jobunzufriedenheit besser einschätzen. Wichtig dabei: schreib‘s auf, am besten mit der Hand.

Nimm Deinen Mut zusammen und rede mit Deinem Chef. Schlage ihm einige Ideen vor, was Du gern tun würdest im Unternehmen, die mehr im Einklang mit Deinen Interessen stehen.

Wenn Du kein Gehör findest und sich Dein Chef für Deine Innovationen und Visionen nicht begeistern lässt , schlage ihm vor, Deine Arbeitszeit zu verkürzen. Ist zwar auch weniger Einkommen, aber mehr Lebensqualität. (Mein Wunsch nach weniger Wochenstunden wurde damals abgelehnt. „Ich“ – also meine Arbeitskraft – sei mit 30 Stunden schlechter zu „verkaufen“. Bämmm..)

Wenn das auch nicht fruchtet, bist Du grundsätzlich im falschen Unternehmen. Wenn Du noch die Power und ausreichend Selbstwertgefühl hast, such Dir einen neuen Job, der Deinen Wünschen und Interessen entspricht und kündige. (ich weiß, das ist nicht so einfach, wenn Du bereits an Selbstwert eingebüßt hast.)

Überlege Dir, wie Du Erholung vom anstrengenden Nichtstun bekommst. Eine Auszeit kann helfen, dass Du wieder Lust bekommst, Dinge zu erleben und selbst zu regeln, die Dir Spaß machen. Vielleicht liegt Dir schon seit längerem eine Idee am Herzen, die Du endlich umsetzen willst.

Warte nicht so lange, bis Dich körperliche und psychische Gesundheit ausknocken. Ich sag Dir, das ist kein Spaziergang. Aber scheue Dich auch nicht, wenn Du es nicht mehr aushältst, einen Arzt auszusuchen.

Nutze Deine Auszeit dafür, Dir Deiner Visionen und Ideen von DEINEM Leben klar zu werden. Wenn Du weißt, was Du willst, weißt Du erst recht, was Du nicht willst, nämlich zurück in den tristen Job, der Dich zu Tode langweilt.

Dass Du in dieser Spirale gefangen bist, liegt nicht daran, dass Du faul, sondern dass Du mit dem, was Du als Aufgabe hast, nicht erfüllt bist und nicht darin aufgehst.

Du bist besonders gefährdet, wenn Du in Deinem Wesen sehr visionär bist, eine sehr schnelle Auffassungsgabe hast, Dich stark mit Deinen Werten identifizierst und Dich nicht verbiegen lassen willst bzw. kannst. Eigentlich möchtest Du andere begeistern und motivieren. Eigentlich möchtest Du gar niemanden, der Dir sagt, was Du machen darfst und was nicht, denn eigentlich würdest Du Deine Aufgaben lieber so regeln, wie, wo und wann Du es für richtig hältst.

Übernimm Verantwortung für DEIN Leben und Dein Vorankommen mit einer Arbeit, die Dich mit Freude und die Dich mit Sinn erfüllt und mit der Du echten Wert stiftest.

Erinnere Dich daran, was Deine Vision vom Leben war, was Du gern tust, tun würdest oder immer gern getan hast. Du bist auf mindestens einem Gebiet Experte. Entdecke Dich und Deine Potentiale neu. Du hast sie schon inne, Du musst sie nur wieder finden.

Aber:  D U   M U S S T   T U N!  Sonst wird immer jemand anderes für Dich eine Wahl treffen.

…weil Dein Leben Dir gehört…

Alles Liebe

Deine

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P.S. Wenn Du heute wieder nichts zu tun hast, schreib mir. Vielleicht habe ich ein paar wertvolle Tipps für Dich.